Warum Holacracy unsere Art zu sprechen verändert

Chris Cowan

Holacracy Praxisleitfaden

 Übersetzung: Xpreneurs; Originaltext: hier


 

Im Alltag ist es ziemlich leicht, Macht zu erkennen. Schau dir die Bilder unten an und frage dich selbst, “Wer führt?”

In diesen Beispielen kann jeder erkennen, wer führt. Die Uniformen, Körpersprache und der Kontext helfen einem dabei. Sie alle machen es uns leicht gewissen Erwartungen zu genügen, falls wir uns in ähnlichen Situationen wiederfinden sollten. Wir müssen nicht darüber nachdenken, wie wir uns verhalten sollen. Wir wissen, wo die Macht liegt. 

Jetzt schau dir das Bild unten an und frage dich, “Wer führt?”

Wer führt?

Wer ist der Boss??? 

Das ist eine Fangfrage. Du kannst es nicht wissen, denn deine Augen sind begrenzt. Und genau das begegnet uns in der modernen Arbeitswelt. Eine große Vielfalt von Menschen, die eine Menge verschiedener Arbeit tun.

Doch sobald du in einer konventionellen Managementhierarchie herausgefunden hast, wer führt, ist es nicht so schlimm. Du weißt, wen du überzeugen musst und wen du sicher ignorieren kannst.

Doch Holacracy bringt das durcheinander. Wenn jeder viele Rollen hat, woher weißt du welche Perspektive oder welche Befugnis in einem bestimmten Augenblick gerade im Spiel ist? Tja, da wir uns nicht auf visuelle Hinweise verlassen können, müssen wir Worte gebrauchen.

In Rollen hinein und heraus zu wechseln dauert nur Sekundenbruchteile. Das sorgt für große Flexibilität, aber auch für mehr Verantwortung gut zu kommunizieren, wenn Kontexte gewechselt wurden. Wir tun das, indem wir Sätze wie diese benutzen: 

  • “An Mike als Finanzen…”
  • “Darf ich dich in einer Rolle ansprechen?”
  • “Oh, ich stecke mit meinem Kopf gerade nicht in meiner Developer Arbeit – kannst du mich später fragen?”
  • “Suchst du nach einer offiziellen Entscheidung aus meiner Rolle, oder willst du nur meine Meinung wissen?”

Diese kleinen Anhängsel sind bedeutend. Sogar entscheidend. Denn sie sorgen für den nötigen Kontext, den wir sonst bereits durch visuelle Hinweise haben. Darum erfordert die Holacracy-Praxis neue Arten und Weisen zu sprechen.

Menschen von Rollen zu differenzieren (ohne sie zu dissoziieren) erlaubt es uns, erstaunliche Dinge zu tun, die wir sonst nicht tun könnten. Wir können uns 10 verschiedene Rollen “anziehen”, oder während einer Interaktion 20 mal den Kontext wechseln. Worte machen”s möglich. 

Doch das wissen wir bereits. Wenn du für die Kreditvergabe zuständig bist und deine Ärztin sich um einen Kredit bemüht, dann können ihre medizinischen Ratschläge deine Befugnisse nicht überstimmen. Wir wissen bereits, dass Macht und Einfluss nicht statisch sind. Sie sind dynamisch und verändern sich in Abhängigkeit vom Kontext. Das ist also kein neues Konzept. Doch es bedeutet eine große Veränderung das innerhalb unser Organisationen anzuwenden. 

Und das ist wichtig, denn Befugnis, bzw. Autorität ist heikel. Sie ist erstaunlich UND furchtbar. Sie ist ein Werkzeug mit allen möglichen Auswirkungen, abhängig davon wofür sie verwendet wird. Manchmal geschieht Machtmissbrauch nicht unbedingt wegen des Schattens oder des Egos einer Person, sondern einfach weil die Kontexte sich ohne ersichtliche physische Anhaltspunkte verändern. Worte – sofern wir bereit sind, sie zu benutzen – können uns vor der dunklen Seite der Macht bewahren.

Schau dir nur dieses Beispiel aus der Show True Detective an. In dieser Szene ist Woody Harrelsons Charakter wütend und konfrontiert seine von ihm entfremdete Frau im Krankenhaus, wo sie arbeitet. Sie will nicht sprechen, doch er besteht darauf. An diesem Punkt unterbricht ein Arzt des Krankenhauses…

“Entschuldigung. Ist alles in Ordnung, Maggie?”

“Es ist alles in Ordnung, Doc. Ich bin von der Polizei.”

“Danke, aber sind Sie jetzt in dieser Eigenschaft hier,...

...als - als Gesetzeshüter?”

Was für eine Frage: “Sind Sie jetzt in dieser Eigenschaft hier?” Es ist eine einfache Frage, um herauszufinden, welche Rollen und welche Befugnisse im Spiel sind. 

Man kann an seinem Gesichtsausdruck ablesen, dass er nicht glücklich über diese Frage ist, weil er augenblicklich die Antwort weiß und die Implikation kennt. Er hat hier keine besondere Befugnis. Er muss gehen.

Physische Hinweise können irreführend sein. Schließlich hat der Detektiv ein Abzeichen und alles an seiner Körpersprache legt nahe, dass er die Führung hat. Doch der Arzt hat die Geistesgegenwart zu erkennen, dass auch er Autorität hat.

Da Holacracy Menschen von Rollen differenziert und dann Rollen mit Befugnissen ausstattet, stört das unsere Annahmen darüber, wer die Führung hat. Wenn also Janice, die Gründerin der Firma, den Raum betritt können wir nicht unmittelbar wissen in welcher Eigenschaft sie gerade auftritt.

Und sie weiß es vielleicht auch nicht. Wenn sie also reinkommt und anfängt, Anweisungen zu erteilen – na und? Sollten wir nicht alle das Recht haben, unvollkommen zu sein? Sollten wir nicht alle das Recht haben, einen schlechten Tag zu haben?

Holacracy erlaubt uns Macht zu verteilen, doch das geschieht nicht automatisch von alleine. Es ist eine Gruppenanstrengung. Wenn ein ehemaliger Boss oder Manager also anfängt, dir zu sagen, was du tun sollst, sorge einfach für Klarheit indem du fragst, “Fragst du gerade eine meiner Rollen an, oder teilst du einfach nur deine Meinung?”


Siehe auch

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