Bild: Eine Domäne ist wie eine Grundstücksgrenze.
Domänen sind eines der drei Grundelemente einer Rolle oder eines Kreises (die anderen sind Sinn und Zweck und Verantwortlichkeiten). Wir nutzen Domänen, um Steuerung zu bündeln, da in einer Holacracy-Organisation jeder automatisch das Recht hat, Massnahmen zu ergreifen oder Entscheidungen zu treffen, die der Erfüllung des Sinn und Zwecks seiner Rolle oder der Verantwortlichkeit seines Kreises dienen.
Domänen sind mit Eigentum vergleichbar, über dessen Verfügung entweder die Rolle oder der Kreis bestimmt. Es muss sich dabei nicht um physisches Eigentum handeln, sondern kann Dinge umfassen wie “der offizielle E-Mail-Verteiler”, “der Einstellungsprozess”, oder “das Spesen- und Reisekostenreglement”. Domänen eignen sich hervorragend für alles, was zentral gesteuert werden muss. Kennst du das Problem, wenn zu viele an der Website “herumdoktern”? Eine Domäne kann in dieser Situation helfen. Wenn eine Rolle oder ein Kreis eine Domäne besitzt, bedeutet dies, dass sie oder er damit machen kann, was sie oder er will, während andere sie oder ihn um Erlaubnis bitten müssen.
In der Regel reden wir davon auf Domänen „einzuwirken“, anstelle von Domänen “kontrollieren” oder “nutzen”. Der Begriff “einwirken” erscheint uns angemessener, weil er viel allgemeiner anwendbar ist auf die Vielfalt möglicher Domänen und wie man mit diesen interagieren kann. Wenn wir beispielsweise fragen: “Was wirkt auf das Auto deines Nachbarn ein?”, so ist diese Frage sehr interpretationsfähig. Bedeutet, das Auto bloß anzuschauen, schon “einwirken”? Wahrscheinlich nicht. Oder etwa, neben dem Auto zu stehen? Ok, was ist damit das Auto zu berühren? Oder die Autotür zu öffnen, sich rein zu setzen und damit herumzufahren?
Irgendwann ist jedenfalls ein Punkt erreicht, an dem man sagen kann, jetzt hat eine Einwirkung stattgefunden. Jeder ist in seiner Interpretation natürlich frei. Liegen die verschiedenen Interpretationen aber weit auseinander, kann die Domäne im Rahmen der Governance klarer definiert werden. In einigen Fällen kann die Nutzung einer Domäne Einwirkung bedeuten (z. B. die Nutzung des Autos meines Nachbarn), in anderen Fällen jedoch nicht (z. B. die Nutzung des Einstellungsprozesses, der einer anderen Rolle gehört, was durchaus in Ordnung wäre).
Falls deine Rolle eine Domäne besitzt, darf du diese Domäne allein kontrollieren. Kein anderer darf einfach ohne deine Erlaubnis auf sie einwirken. Andere können jedoch um das Recht bitten, auf die Domäne einwirken zu dürfen. Du bist dann aufgefordert, diese Anträge zu prüfen, indem du entweder den Zugriff erlaubst oder verweigerst (wenn du Anfragen ablehnst, musst du einen validen Grund angeben, warum durch die Einflussnahme mehr Schaden als Nutzen entstünde).
Wenn dein Kreis eine Domäne besitzt, ist dies vergleichbar mit einem Familienbesitz. Jede Rolle im Kreis kann den Besitz nutzen. Dies gilt jedoch nur, solange die Domäne nicht an eine bestimmte Rolle delegiert wurde. Wenn der Marketing-Kreis beispielsweise die Domäne „Website“ hatte, könnte jede Rolle im Kreis Änderungen vornehmen, ohne dass andere um Erlaubnis gefragt werden müssen.
Wurde im Rahmen eines Governance-Meetings allerdings die Website-Domäne an die Rolle “Webmaster” delegiert, so wird sie sowohl dem Marketing-Kreis als auch der Rolle “Webmaster” zugeschrieben. Damit ist ausserhalb und innerhalb des Kreises klar ersichtlich, wer diese Domäne innehat.
Hinweis: Wenn du eine delegierte Domäne besitzt, hast du die ausschließliche Kontrolle darüber, wie sie erstellt oder verwendet wird. Du hast jedoch nicht die Befugnis, wesentliche Vermögenswerte des Unternehmens zu verkaufen oder zu zerstören (Du kannst also nicht einfach kommen und sagen: “Gute Neuigkeiten, als Webmaster habe ich unsere Website zu einem tollen Preis verkauft !!”).
Da du Anfragen zur Nutzung deiner Domäne beachten musst, kann es einfacher sein, eine Richtlinie zu erlassen. Richtlinien sind wie Regeln oder Bestimmungen, die den Handlungsspielraum im Rahmen einer Domäne klar definieren. (etwa: “Ich erlaube dir, meinen Besitz zu benutzen, aber nur unter den folgenden Bedingungen... ")
Stell Dir vor, der Kreis “Facilities & Equipment” hat die Domäne “Firmenwagen”. Jedes Mal, wenn du dir ein Auto ausleihst, hat es zu wenig Benzin. Du möchtest, dass jeder das Auto volltankt, nachdem er es benutzt hat. Es ist daher nicht sinnvoll, dies im Rahmen der Verantwortlichkeiten einer jeden Rolle zu regeln. An dieser Stelle hilft es, eine Richtlinie für den Kreis zu erfassen, die besagt: “Wer ein Firmenauto nutzt, muss es vollgetankt zurückbringen.”
Unabhängig davon, wie ausgefeilt eine Richtlinie aussehen kann (einige können mehrere Seiten umfassen), sie ist per Definitionem immer mit einer Domäne verbunden. Technisch gesehen erlauben Richtlinien entweder 1) Aussenstehenden, eine Domäne zu beeinflussen; oder 2) schränken die Nutzungsrechte derer ein, die bereits Zugriff auf die Domäne haben.
Falls deine Rolle eine Domäne besitzt, kannst du Richtlinien selbst außerhalb der Governance veröffentlichen, da ausser dir kein anderer beteiligt ist (dies kann bei Glassfrog als Rollennotizen erfasst werden). Weitere Informationen zu Richtlinien findest du hier.
Da der grösste Kreis (d.h. der GC oder gemäss Bezeichnung der Organisation) automatisch alles kontrolliert, wäre es unsinnig, alles als Domäne in Glassfrog zu erfassen (z. B. „Firmenlogo“, „Beschaffungsprozess“, „Kaffeemaschine“, “Kaffeefilter”, “Kaffeebohnen” usw.). Stattdessen betrachten wir diese als implizite Domänen. Das bedeutet, dass sie in der Governance nicht explizit aufgeführt werden müssen, da die Verfassung bereits im Wesentlichen besagt: “Das Unternehmen besitzt, was es besitzt.”
Aus diesem Grund werden manchmal Richtlinien an der Domäne „Alle Funktionen & Aktivitäten innerhalb des Kreises“ angezeigt. Das bedeutet, dass die Richtlinie einer impliziten Domäne zugeordnet wurde, die redundant wäre eigens zu definieren.
Wenn beispielsweise die Richtlinie “Jeder, der Passwörter zum Schutz von unternehmensbezogenen Konten verwendet, muss deren Sicherheit gewährleisten”, dem GC zugewiesen wurde, musst du nicht zusätzlich eine Domäne “Firmenbezogene Konten” definieren, da diese Domäne implizit schon existiert.
Siehe auch
Dieser Blogbeitrag erschien erstmals auf dem Blog von HolacracyOne. Das Original findest du hier. Die Übersetzung stammt von Xpreneurs mit freundlicher Genehmigung von HolacracyOne. Übersetzung: Anne Kilburg, Xpreneurs GmbH
Ja, es gibt einen Hype um Holakratie – und Holakratie wird unterschätzt, wenn du gerade erst auf Holacracy gestossen bist und dich fragst, worum es bei der ganzen Sache überhaupt geht und ob und wie das für dein Unternehmen relevant ist